13. Mai 2016

Zeiss und Stockhausen

Neulich, beim Durchblättern einer Modezeitschrift aus dem Jahre 1982, stieß ich auf folgende Anzeige:

Zum Vergrößern doppelklicken und dann noch einmal doppelklicken!

Ich erinnere mich genau, schon als Kind (1982 war ich elf) habe ich mich gefragt: Wer ist diese Christina Stockhausen? Ob ich mich auch gefragt habe, warum diese Christina Stockhausen Urlaub auf den Antillen macht, glaube ich allerdings nicht. 1982 waren die Antillen für mich so weit weg wie beispielsweise der Mond. Möglicherweise wusste ich noch nicht einmal, was die Antillen sind – Erdkunde war nicht mein Lieblingsfach und ich habe es tunlichst vermieden, den Diercke Weltatlas aufzuschlagen. In der Werbung hätte also auch genauso gut stehen können: Christina Stockhausen, 28, im Urlaub auf dem Mond. Mit Sonnenbrille und Taschenfernglas von Zeiss.

Kein Mensch in West Germany hat 1982 Urlaub auf den Antillen gemacht! Man reiste klassisch nach Italien und Spanien, und manche verbrachten jeden Sommer drei Wochen im Hohenlohischen, eine Autostunde von zuhause entfernt. Etwas exklusivere Reiseziele waren Südfrankreich, die Schweiz und Insel-Destinationen wie Teneriffa und Sylt. Ich lasse mich in dieser Einschätzung natürlich gern berichtigen. Falls ihr also in den Achtzigern jede Sommerferien auf den Antillen verbracht habt, gebt mir bitte Bescheid.

Welche Zielgruppe hatte diese Werbung? Wer sollte mit dem Versprechen eines Antillen-Urlaub-Feelings dazu verführt werden, sich eine Zeiss-Sonnenbrille zuzulegen? Und vor allem: Ein Zeiss-Fernglas? Und immer wieder: Wer ist Christina Stockhausen?


Zumindest die letzte Frage kann ich inzwischen beantworten: Christina Stockhausen gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Leider, leider, leider gibt es keine Christina Stockhausen. Zu gern hätte ich gewusst, wo sie vielleicht sonst noch so Urlaub gemacht hat.

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6 Kommentare:

Blogger Constanze

Ach so. Ich hätte gewettet, dass es sich um die Tochter von Karlheinz Stockhausen handelt.

13. Mai 2016 um 20:30  
Blogger ROSINE

Nee, nee, nee, die Töchter von KH Stockhausen heißen Suja, Christel, Majella und Julika. Moment mal! Christel? War das vielleicht der Spitzname von Christina? Muss gleich mal Christel+Stockhausen+Zeiss googlen!

13. Mai 2016 um 21:08  
Blogger Wiebke

Christel wurde 1956 geboren (sagt das Internet), wäre also 1982 erst 26 Jahre alt gewesen. Da hätte die Werbeagentur also mit dem Alter etwas gemogelt. Macht das Sinn. Wirkt 28 werbetechnisch überzeugender?

LG
Wiebke

15. Mai 2016 um 13:24  
Blogger Ralf

Also, meine Tante war um 1978/1979 mit Mitte 20 auf Martinique (Kleine Antillen). Genau weiß ich das Jahr nicht mehr, weil sie damals hingeflogen ist, ohne mir was zu erzählen (vielleicht kann ich mich auch nur nicht daran erinnern) und danach auch nur so diffuse Geschichten davon erzählt hat. Z.B: "Die sprachen immer nur mit C. [ihrem Freund], obwohl der kein Wort Französsich kann" (fand sie total doof) oder "Martinique ist unheimlich teuer, weil alles aus Frankreich eingeflogen wird" - was ich nun nicht glaube, vielleicht der Pernod und anderere französischer Luxuskram, aber meine Tante hat immer so eine Art, Dinge im Brustton der Überzeugung von sich zu geben, dass jeder Zweifel im Ansatz abstirbt.

Was sie dort getan haben, außer überteuerte Preise zu zahlen? Ich weiß es nicht. Aber seitdem weiß ich, wo die Antillen sind. Hinfliegen wollte ich aber nie.

Außerdem glaube ich nicht, dass man eine Frau Stockhausen, Jahrgang 54 aus nicht-Komponisten-Kreisen heute per Google finden würde. Die wäre ja heute 62 Jahre und hat vielleicht nicht mal einen Facebook-Account. War bestimmt ein Werbename für Liselotte Schulze, Fotomodell aus Lünen.

Ralf

15. Mai 2016 um 15:29  
Blogger ROSINE

Das finde ich aber gewagt, Ralf, vom Jahrgang auf die Internetpräsenz zu schließen! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Liselotte Schulze aus Lünen, 62, Ex-Fotomodell, einen schön kuratierten Instagram-Account hat.

Es bleibt aber die Frage: Warum macht man eine Testimonial-Kampagne, wenn das Testimonial gar nicht real ist? Es gab zeitgleich beispielsweise die "An meine Haut lasse ich nur Wasser und CD"-Werbung, ebenfalls mit Werbebotschaftern (den Anfang machte 1977 Jil Sander). Das Prinzip war den Leuten also längst bekannt. Und die Testimonials aus der Werbung für die CD-Seife waren alles echte Frauen aus der damaligen Münchner, Düsseldorfer, Frankfurter und Hamburger Society (das hat zumindest eine Kurz-Recherche ergeben). Hier ein paar Beispiele: Ursula zu Dohna, München, Isabella Deym, ebenfalls München, Hilla Moll aus Hamburg und Claudia Leudesdorff aus Frankfurt.

16. Mai 2016 um 14:51  
Blogger Ralf

Nun gut, vom Alter auf die Internetpräsenz zu schließen, war tatsächlich etwas frech.

Aber sollte man für Testimonials nicht lieber ECHTE Promis nehmen, die wirkliche jede/r erkennt - so wie Jil Sander? Die CD-Werbung kenne ich auch (ich bin alt genug ;), aber dass die Namen echt sein könnten, darauf wäre ich nicht im Traum gekommen; war wohl auch nicht die Zielgruppe. Auch nicht für Zeiss-Damensonnenbrillen.

16. Mai 2016 um 21:30  

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