28. Februar 2016

Fünf Gründe für englische Wachsjacken. Eine Liebeserklärung

1. Verwirrung. Englische Wachsjacken, besser bekannt als Barbour-Jacken, gelten als Uniform englischer Adliger und konservativer Jura-StudentInnen. Ich bin weder das eine noch das andere; somit kann ich problemlos Barbour-Jacken tragen, ohne diese vorgefertigte Lesart zu evozieren. Trotzdem schadet es natürlich nicht, ein Kleidungsstück zu besitzen, in dem man theoretisch den Eindruck erwecken könnte, man sei entweder eine verarmte Adlige, die nichts mehr besitzt außer ihrem Dünkel und der mehrfach geflickten Wachsjacke, oder eine Tochter aus gutem Hause mit einem abgebrochenen Jurastudium.

2. Glastonbury. Barbour-Jacken geben einem außerdem die Möglichkeit, sich wie Alexa Chung auf dem Glastonbury-Festival zu fühlen, ohne das Glastonbury-Festival besuchen zu müssen. Das ist deswegen praktisch, weil mich keine zehn Pferde auf so ein Festival bringen. Niemals.

Ihre Ladyschaft Diana, Alexa Chung, Helen Mirren, die Queen, alle in Barbour

3. Funktionskleidung. Ständig wird lamentiert, die Leute in Deutschland würden nur noch hässliche Funktionskleidung tragen, auch wenn keine Funktionskleidung nötig ist. Meine Bewegungs-App sagt mir, dass ich täglich durchschnittlich 13,55 km Fahrrad fahre. Mit Fug und Recht dürfte ich also Regenfunktionskleidung tragen. Mache ich aber nicht. Ich nehme stattdessen meine Bürgerpflicht war, trete mit meiner Wachsjacke dem Funktionskleidungseinerlei in deutschen Innenstädten entgegen und werde lieber nass. Das stimmt nämlich gar nicht, dass Barbour-Jacken wasserdicht sind. Die sind nur bedingt wasserdicht.

4. Vielseitigkeit. Man kann Barbour-Jacken immer und zu allem tragen. Ist so! Feine und formale Outfits lassen sich mit der Jacke dezent runterdressen und bekommen ein lässiges Finish, abgeranzte Klamotten hingegen werden von der Babour-Jacke aufgrund ihrer soliden, sichtbar auf Langlebigkeit angelegten Machart enorm aufgewertet.

5. Geld. Aufgrund ihrer Vielseitig- und Langlebigkeit gehören Barbour-Jacken zu den preiswertesten Kleidungsstücken überhaupt. Das lässt sich leicht mit der cost-per-wear-Formel ausrechnen:

cost of the item : number of wears = cost per wear

Meine alte Wachsjacke habe ich vor fünf Jahren für ungefähr 350 Euro gekauft. Ich habe diese Jacke jedes Jahr in den Monaten Februar bis April und September bis November täglich, in den Monaten Mai, Juni und Dezember ungefähr an der Hälfte der Tage und im Januar, Juli und August wahrscheinlich nicht getragen. Das macht ungefähr 225 Tage pro Jahr, an denen ich die Jacke getragen habe, in fünf Jahren also insgesamt 1125 Trage-Einheiten. Somit hat meine Jacke folgenden CPW-Quotienten:

350 Euro : 1125 Trage-Einheiten = 0,31 Euro

Berechne ich ein, dass ich die Jacke in den letzten fünf Jahre zweimal zum Wachsen à 50 Euro und einmal zum Flicken und Stopfen (ebenfalls 50 Euro) gegeben habe, komme ich auf einen derzeitigen CPW-Quotienten von 44 Cent – ein sensationeller Wert!

Alle mathematisch interessierten und versierten Leserinnen und Leser möchte ich nun eindringlich auffordern, die CPW-Formel um folgenden Aspekt zu erweitern: Ich habe mir in den letzten fünf Jahren keine weitere Jacke gekauft; aufgrund der oben beschriebenen Vielseitigkeit war das nicht nötig. Durch das Tragen der Jacke sind mir also eigentlich keine Kosten entstanden. Im Gegenteil – ich hab ein dickes Plus gemacht, oder? Jetzt möchte ich natürlich wissen, wie hoch dieses Plus ist.

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7. Februar 2016

What's in my bag?

Wer ist eigentlich heute noch bei Flickr, *der* online Fotosharing-Community der 2000er-Jahre? Das frage ich mich manchmal, und zwar nicht ganz unwehmütig. Für mich als einerseits ordnungs- und dokumentations-, andererseits klamottenbesessenen Menschen war Flickr und dort speziell die Sreetstyle-Gruppe wardrobe_remix ein Paradies!


Zu jedem hochgeladenen Outfit verfasste man einen kleinen Text über die Herkunft  jedes einzelnen Kleidungsstücks (my boots are vintage Sergio Rossi, belt: boyfriend, blouse: hand-me-down from my mother), und wenn man ein Teil des Outfits bereits in einem anderen Outfit vorgezeigt hatte, ergänzte man das Stichwort "remixed". So bekam man nicht nur einen schönen Überblick über das eigene Anziehverhalten, sondern auch einen detaillierten Einblick in fremde Kleiderschränke.


Zwischen 2008 und 2013 habe ich 185 Outfits bei Flickr hochgeladen, wobei spätestens 2011 klar war, dass wardrobe_remix nicht mehr das ist, was es einmal war. Viele der wardrobe_remix-Mitglieder erkannten die Zeichen der Zeit, professionalisierten ihre eigenen Blogs und zeigten nur noch dort ihre Outfits – so entstand Anfang der 10er-Jahre das Berufsbild der Fashionbloggerin irgendwo zwischen wandelnder Werbefläche, Streetstyle-Ikone und Möchtegern-Journalistin. Und außerdem kam Instagram! Wenn ich mich nicht irre, hat sogar Chiara Ferragni, die heute mit ihrem Blog "The Blonde Salade" angeblich Milliarden verdient, früher mal Outfits bei wardrobe_remix gepostet. Es kann aber wirklich sein, dass ich mich in diesem Punkt irre.


Eine andere enorm beliebte Gruppe bei Flickr war "What’s in my bag?", in der man Fotos des Inhalts der eigenen Handtasche postete. Das "What’s in my bag?"-Genre ist mittlerweile komplett zu Youtube übergelaufen und dort in Form von "What’s in my bag"-Videos nach wie vor extrem populär.


Ich frage mich allerdings, wieso ich in meiner aktiven Flickr-Zeit nie Fotos in der "What’s in my bag?"-Gruppe hochgeladen habe und hole dies hier und heute offiziell nach.

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