29. Januar 2012

Parfum

Was ich überhaupt nicht kann, ist Düfte beschreiben. Das ist irre schwer! Hintergrund: Ich habe mir neulich aus sentimentalen Gründen ein Parfum zugelegt, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es überhaupt noch hergestellt wird. Als ich jugendlich war, also in den Achtzigern, trug es die Mutter einer Schulfreundin, die für mich damals der Inbegriff von mondänem kosmopolitischem Jetset-Luxus war (die Mutter, nicht die Schulfreundin). Scherrer 2 („Scherrer zwei“) heißt der Duft übrigens, aus dem Hause Jean Louis Scherrer, seinerzeit ein Grand Couturier, also ein Vollmitglied des Chambre Syndicale de la Haute Couture. Der Begriff Haute Couture ist in Frankreich rechtlich geschützt, da darf nicht jeder Haute Couture machen, da müssen sich die Modehäuser jede Saison aufs Neue bewerben! Jean Louis Scherrer kannte in Deutschland damals kein Mensch – nur die Mutter meiner Schulfreundin! Mit einem Blick habe ich seinerzeit sofort erkannt, um was für exklusives Zeug es sich bei Scherrer 2 handelt. Ich habe diesen Duft geliebt! Und ich mag ihn immer noch. Scherrer 2 riecht definitiv nach den Achtzigern, aber nicht nach den neonbunten Cindy-Lauper-Achtzigern, sondern nach den mondänen Yves-Saint-Laurent-Achtzigern. Zugleich wirkt Scherrer 2 reichlich altmodisch, und zwar so altmodisch, dass man ihn bereits 1986, als der Duft lanciert wurde, als altmodisch empfunden haben musste. Ich rieche die 20er- oder die 30er-Jahre heraus, bilde ich mir ein. Eine Reminiszens, die sicherlich gewollt ist, denn der Flakon sieht irgendwie Artdéco-mäßig aus (in den 80ern übrigens schwer en vogue, man denke nur an den Flakon von LouLou von Cacharel). Eingangs riecht Scherrer 2 blumig und süß, nach einer Weile kommt etwas Würziges und Herbes hinzu, ein Duft, der polarisiert, möchte ich meinen. Ich assoziiere Zimt, aber wenn ich parallel an Zimt rieche, muss ich feststellen, nein, Scherrer 2 riecht kein bisschen nach Zimt, sondern nach etwas, das eine Zimt-Assoziation hervorruft. Wenn ich den Duft in Früchten beschreiben müsste, würde ich sagen, dass Zitrusduft komplett abwesend ist, Scherrer 2 riecht aber auch nicht nach Pfirsich, sondern möglicherweise nach Beeren, wahrscheinlich nach Waldbeeren. Der Duft ist nicht unbedingt schwer, aber irgendwie warm – für mich ein Winterduft! Jedenfalls, die Frau, die diesen Duft in den Achtzigern getragen hat, hatte garantiert kein seitlich geknotetes T-Shirt an, sondern vielleicht ein braunes Cape aus Kaschmir und ein Goldarmband. Und außerdem waren ihre Fingernägel dunkelrot lackiert. Ich glaube, diese Frau hier könnte nicht nur eventuell, sondern ziemlich sicher Scherrer 2 getragen haben:



In den Neunzigern gings mit dem Hause Scherrer leider bergab, wie man dieser Meldung im Spiegel Nummer 50 aus dem Jahre 1992 entnehmen kann:
Jean-Louis Scherrer, 56, ist am vergangenen Dienstag von den Hauptaktionären seines Pariser Modehauses, Seibu-Saison aus Japan und Hermes, entlassen worden. Grund für die Entscheidung, so der Generaldirektor des Unternehmens, Patrick Thomas, seien "unerträgliche Verluste" in den letzten drei Jahren gewesen. Scherrers Nachfolger, der frühere Balmain-Chef Erik Mortensen, kritisierte, das Modehaus habe bisher den Fehler gemacht, sich zu stark auf die arabische Kundschaft zu konzentrieren. Jean-Louis Scherrer, der an der Modefirma mit einem Anteil von zehn Prozent beteiligt ist, zeigte sich von der Kündigung völlig "geschockt": Er verliert durch die versuchte Firmen-Rettung nicht nur seinen Job, sondern auch den Markennamen "Scherrer".

Danach wurde der Name für jeden Mist verramscht, ein Schicksal vieler großer Modehäuser. Ich zum Beispiel besitze eine kleine Wetterstation von Thierry Mugler. Wenn Thierry Mugler das wüsste! Er würde sich im Grab herumdrehen. Zum Glück lebt Mugler noch, diese Gefahr ist also schon einmal gebannt. Von Thierry Mugler stammt übrigens der Duft „Angel“, den ich als äußerst unangenehm empfinde. Aber so ist das mit den Düften: Des einen Freud, des anderen Leid bzw. dosis facit venenum.

Sehr schöne Parfumbeschreibungen gibt es übrigens von Katie Puckrik – a very funny lady! Ich liebe sie und bin süchtig nach ihren Parfumrezensionen. Zum Einstieg empfehle ich „Katie's Perfume Collection“, Teil 1 bis 5: Part 1, Part 2, Part 3, Part 4, Part 5.

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3 Kommentare:

Anonymous moseron

Auch so ein Winterduft - auf jeden Fall ein Abendduft - nach dem ich süchtig bin, da er reines Wohlgefühl weckt und Erinnerungen an Licht, Wärme, Liebe, Aufregung und Geschmack, ist für mich Coco von Chanel (vorhanden als Eau de toilette in diesem Zerstäuber, den ich auch gern einfach so ansehe: http://www.chanel.com/de_DE/parfum-schonheit/Parfums-Coco-COCO-EAU-DE-TOILETTE-ZERST%C3%84UBER-92009). Ebenfalls zunächst blumig und schwer, dann immer leichter und herb und würzig. Er schwebt irgendwie um einen herum.

6. Februar 2012 um 16:02  
Anonymous moseron

Ich irrte gewaltig, handelt es sich eben doch um das Eau de parfum, wie ein Blick ins Bad mir eben zeigte.

6. Februar 2012 um 18:00  
Blogger ROSINE

Oh ja, Coco mag ich auch sehr gern - übrigens der einzige Duft, den ich mir einfach so in Erinnerung rufen kann. Weil er so speziell ist!

7. Februar 2012 um 18:52  

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