16. Oktober 2011

Bericht aus Brüssel

Brüssel – Stadt ohne Bänke. Ohne Bänke, nicht ohne Banken! Banken wird es wohl geben in Brüssel, das habe ich nicht überprüft, aber Bänke gibt es definitiv keine in dieser Stadt. Schließlich wollen all die tausend kleinen Brasserien besucht werden. Da braucht man keine Sitzmöbel im öffentlichen Raum. In Brüssel gibt es sogar Vergünstigungen für Angestellte, wenn sie in einer Brasserie zu Mittag essen, anstatt sich was von zuhause mitzubringen. Was bei uns also das Jobticket, ist in Brüssel der Jobbrasseriebesuch. Vegetariern muss von einem Brüsselbesuch allerdings strikt abgeraten werden. Außer Fleisch gibt es nur Muscheln und wer weder das eine noch das andere mag, muss sich von Fritten ernähren, dafür dann aber mit fünfzehn verschiedenen Soßen. Oder von Pralinen. Pralinen – das ist bekannt – gibt es hervorragende in Brüssel. Nicht selten muss man beim Stadtbummel die Brille herausholen, um überhaupt erkennen zu können, ob es sich bei einem Geschäft um einen Juwelier oder um einen Pralinenladen handelt. So werden in Brüssel Pralinen behandelt! Wie Juwelen!

Nicht wie mit Juwelen und auch nicht wie mit Diamanten oder ähnlichem, sondern exakt wie mit dem letzten Dreck wird hingegen mit Fußgängern verfahren. Wenn man es wagt, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen, wird man von den Brüsseler Autofahrern sofort unmissverständlich in die Wohnung zurückgehupt. Fahrradfahrer gibt es keine, die wurden schon alle überfahren und auf einem namenlosen Selbstmörderfriedhof außerhalb der Stadtmauer begraben, glaube ich. Deswegen von meiner Seite eine Liebeserklärung an die deutschen Autofahrer und die Abwesenheit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen. Sollen sie ihre Aggressionen auf der Autobahn rausfahren, da stört es mich nicht, da bin ich ja nie, solange sie sich im Gegenzug in der Stadt weiterhin an jede Verkehrsregel halten und weiterhin eine rote Ampel als Autorität anerkennen. Nach einem Brüsselbesuch kommen einem deutsche Autofahrer derart nett und höflich vor, man könnte direkt in Versuchung kommen, wieder ohne Helm Fahrrad zu fahren.

Ein anderer Grund für die fehlenden Bänke könnte übrigens auch das Brüsseler Wetter sein. Angeblich regnet es ja praktisch pausenlos in Brüssel. Da braucht man keine Sitzmöbel im öffentlichen Raum. Während meines Brüsselaufenthaltes rund um den 3. Oktober hat aber ausnahmsweise rund um die Uhr die Sonne geschienen. Einheitswetter in Belgien, könnte man also sagen! Was aber dazu führte, dass die Gleichung Muscheln + französisch + verdreckte Straßen + Schmuddelwetter = Brüssel nicht griff, sondern ich mich ständig in Südfrankreich wähnte, weil durch das prima Wetter natürlich die Faustregel Muscheln + französisch + verdreckte Straßen + tolles Wetter = Stadt in Südfrankreich getriggert wurde. Brüssel also unbedingt bei schlechtem Wetter besuchen, Leute!

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1 Kommentare:

Anonymous Anke

Wie schön von dir zu lesen!

21. Oktober 2011 um 23:00  

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