23. September 2010

Theorie des benutzten Taschentuchs

Dass ich meinen Leserinnen und Lesern nichts von der Broken-Windows-Theorie, also der Theorie des zerbrochenen Fensters, erzählen muss, ist mir völlig klar, aber vielleicht interessiert sich ja jemand für die von mir entwickelte, oben genannter Theorie nicht unähnlichen Used-Tissue-Theorie? Wenn ich nämlich morgens mein Fahrrad in Mitte abstelle und mir mit einem Papiertaschentuch die Tränen abwische, die mir der Fahrtwind in die Augen getrieben hat, und wenn ich dann dieses gebrauchte Taschentuch vorn in meinen Fahrradkorb werfe, weil kein Abfalleimer in der Nähe ist, dann ist mein Fahrradkorb abends, wenn ich wiederkomme, bis oben zugemüllt mit Bäckertüten, Werbezetteln und weiteren benutzten Taschentüchern. Umgekehrt bedeutet ein leerer Fahrradkorb morgens auch einen leeren Fahrradkorb abends. Das ist die Theorie des gebrauchten Taschentuchs! Neulich habe ich nicht nur ein benutztes Taschentuch in meinem Korb zurückgelassen, sondern aus Versehen auch meinen Geldbeutel - mit meiner Postbank-EC-Karte, meiner Ver.di-Card, der Lafayette-Kundenkarte, meinem VÖBB-Ausweis, der Karte von der Techniker, dem Perso und 25 Euro inside ein ziemlich dicker Fisch! War aber abends noch da, schön zugedeckt mit Chai Tea Latte-Bechern von Starbucks und anderem Müll. (M)ein gebrauchtes Taschentuch hat den Unterscheid gemacht! Das Witzige daran: Ein paar Tage später bin ich einmal mit der U-Bahn nach Hause gefahren und auf einmal war mein Geldbeutel weg! Jetzt ist es soweit, habe ich mir gedacht, jetzt ist es passiert, jetzt ist dir doch der Geldbeutel gestohlen worden, und bin nach Hause gerast und habe meine Bankkarte sperren lassen, um dann festzustellen, dass der Geldbeutel gar nicht weg, sondern nur anderswo war. Übersprungshandlung aufgrund von Hypersensibilisierung. Jetzt habe ich eine neue PIN. Meine alte PIN war eins-neun-vier-zwei, das habe ich mir immer gemerkt mit 1942 - das Jahr, in dem britische Truppen Madagaskar eroberten, um den Japanern zuvorzukommen, aber meine neue PIN fängt mit einer Vier an, da kann ich leider gar nichts damit anfangen!

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13. September 2010

Bericht aus Frankfurt am Main

Endlich habe ich mein eigenes Leben wieder! Wochenlang im Hotel wohnen macht keinen Spaß, auch wenn es in Frankfurt am Main ist, wo längere Hotelaufenthalte kein Einzelschicksal und keine Seltenheit, sondern im Gegenteil total normal und somit gang und gäbe sind. Übrigens, noch blöder als im Hotel wohnen müssen ist krank im Hotel wohnen müssen.

So ungefähr 600 000 Einwohner hat Frankfurt und angeblich kommen zusätzlich täglich zwischen 500 000 und 1 000 000 Menschen (hier widersprechen sich die Angaben) zum Arbeiten in die Stadt, was die Main-Metropole zu einer Art Scheinriesen macht: Man kommt an und denkt, Hey, krass, Frankfurt ist ja eine richtige Großstadt, was hier los ist, toll, so viel Trubel, da bleibe ich mal übers Wochenende hier und schau mir das alles an! und dann findet man sich in einem Taunus-Dorf wieder, wo samstags und sonntags alle Cafes und Restaurants zu sind und die Straßen wie leergefegt. Nur die Crack-Junkies, die bleiben auch übers Wochenende da.


Es gibt aber einen super Trick, um eine Scheinriesen-Stadt ganz einfach zu enttarnen: Wenn man aus dem U-Bahnhof nach oben kommt und sich in Sichtweite ein weiterer U-Bahnhof-Eingang befindet, bei dem es sich aber nicht um den hinteren Ausgang der U-Bahn-Station handelt, von der man gerade nach oben gekommen ist, sondern bereits um den Eingang zum nächsten U-Bahnhof, dann weiß man, Aha, ich befinde mich in einer Stadt, die größer scheint als sie tatsächlich ist.

Aber das nur nebenbei - wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Frankfurt ist neben Hamburg die Crack-Haupstadt Deutschlands und ich frage mich schon lang, wieso eigentlich in Berlin Crack keine Rolle spielt. Überhaupt ist die offene harte Drogenszene Berlins im Vergleich zu Frankfurt und Hamburg quasi nicht existent - seltsam, wo man doch für gemeinhin von der Gleichung "je größer die Stadt, desto krasser die Drogenszene" ausgeht. Trifft auf Berlin wohl nicht zu. Beinahe heimelig wirkt der Drogentreffpunkt am Kottbusser Tor in Berlin, wohingegen ich in Frankfurt fast aus den Latschen gekippt bin ob all des schlimmen Crack-Elends.


Ansonsten ist Frankfurt natürlich genau so, wie man es von einem richtigen Frankfurt erwartet. Es gibt einen Goetheplatz und eine Goethestraße, und wo eine Goethestraße ist, ist die Schillerstraße nicht weit, das ist in Frankurt wie überall in Deutschland. Die Metzgereien heißen Worschtkörbsche, die Kneipen Fennischfuchser und den besten Kaffee gibt es wo? Im Ordnungsamt natürlich, wo keiner damit rechnet! Das Ordnungsamt, das werde ich eventuell vermissen.

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