18. November 2009

Was mach ich jetzt?

Um endlich einmal zu lernen, wie man Nähte anständig versäubert, gehe ich in die Amerika-Gedenkbibliothek. Ein Handbuch des Nähens muss her! Bisher habe ich zwar immer gesagt, Wie, Nähte versäubern?! Brauch ich nicht, ich mach doch Guerilla-Nähen!, um damit meine Faulheit und Schlampigkeit zu einem anti-bürgerlichen, subversiv-urban politischen Statement umzuwerten, aber was hilft mir ein hipper Anstrich, wenn die Nähte immer wieder aufgehen? Eben. Ein Nähbuch ist schnell gefunden und ehe man sich versieht, gerät man beim Stöbern im Regal "Nähen" über die Rubriken "Häkeln" und "Gesunde Lebensführung" in die Abteilung "Lebenshilfe". Ah, Lebenshilfe! Per-feeekt! Vielleicht finde ich in den psychologischen Ratgebern ja en passant auch noch Antworten auf einige drängende Probleme, freu ich mich, um aber nach ein bisschen Lesen verwundert feststellen zu müssen, dass es in der Welt der psychologischen Ratgeber offensichtlich gar keine Probleme gibt! Es ist nämlich alles nur ein Frage der Sichtweise und der Einstellung: Ich soll die Vergangenheit ruhen lassen, damit ich selbst mehr Ruhe habe. Aber wieso das denn? Ich soll möglichst viele Kapitel meines Lebens selbst schreiben. Mach ich doch! Ich soll mir und anderen verzeihen. Ist doch eh klar. Und außerdem soll ich nicht nur jedem Tag die Chance geben, der schönste meines Lebens zu werden, ich soll darüber hinaus auch noch jeden Tag so leben, als ob es mein letzter wäre! Nein, nein, nein, das hilft mir alles nicht. Was ich brauche, ist "Das schlaue Buch" von Tick, Trick und Track,
"(...) das Pfadfinder-Handbuch des Fähnlein Fieselschweif aus Entenhausen, in dem sich Informationen zu praktisch allen Fragen des Lebens finden lassen. Das Buch stellt ein typisches plot device dar, da es meist in einer dramatischen oder ausweglosen Situation zum Einsatz kommt und sich das bestehende Problem durch die enthaltenen Informationen lösen lässt (...). Es enthält für ein allgemeines und kleines Handbuch in einer entsprechenden Situation erstaunlich spezifische Informationen."
Ich weiß schon, das gibt es gar nicht, das ist fiktiv, weiß ich doch, aber trotzdem, seit ich vor vielen, vielen Jahren in Walt Disney's lustigen Taschenbüchern davon gelesen habe, wünsche ich mir einen solchen Ratgeber! Und wenn ich selbst ein derartiges Buch verfasse? "Gelöste Probleme von A bis Z" könnte ein möglicher Titel sein. Vielleicht in Form einer Loseblattsammlung, wie sie die Juristen benutzen? Immer, wenn ich ein neues Problem gelöst habe, kommt ein neuer Eintrag hinzu, so case law-mäßig? Auf dem Nachhauseweg grüble ich weiter über mein ehrgeiziges Buchprojekt, als ich im Vorbeiradeln eine Reklametafel für eine Internetseite namens Was mach ich jetzt? entdecke. Ist das etwa das, wonach ich suche? Gibt es "Das schlaue Buch" doch? Beflügelt trete ich in die Pedale, aber ein schnelle Recherche at home ergibt: Ich bin auf eine Werbung des eher unangenehmen ADAC hereingefallen. Muss ich das gelöste Probleme-Buch doch selber schreiben. Eines ist schon mal sicher. Bei Verweisen wird kein Pfeil verwendet, sondern so eine Zeigehand:


Und hinten auf dem Buchdeckel, unter Über die Autorin oder Zur Person, steht:
Rosine wurde in Süddeutschland geboren und lebt in Berlin.
Ihre Schwester ist Psychologin.
Das muss genügen.

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7. November 2009

Muss des Monats

Ein absolutes Muss ist für mich jeden Monat das sorgfältige Durchstudieren des Vortragsprogramms der Urania.* Immer wenn das Berliner Mietermagazin eintrifft, schlage ich als erstes die letzte Seite auf - dort nämlich ist das Programm abgedruckt - und frage mich bzw. male mir profilermäßig stundenlang aus, was das wohl für Leute sind, die sich beispielsweise am Mittwoch um 15:30 Uhr den Vortrag "100 Jahre Stahnsdorfer Südwest-Friedhof" oder am Montag, gleiche Zeit, etwas über "Görlitz - eine der schönsten Städte Deutschlands" anhören. Bitte, ich möchte mich nicht lustig machen, man interessiert sich halt für irgendwas, ob es sich dabei um einen Friedhof, eine Stadt oder sonst etwas handelt, ist schließlich piepegal, aber die Vorstellung eines schlecht besuchten Vortrags in einem 60er-Jahre-Vortragssaal mit mutmaßlich veralteter Technik und engagierten Vortragenden, die - das vermute ich alles - mit sehr viel Liebe und Begeisterung über ihr jeweiliges Spezialthema sprechen, rührt mich und verursacht dieses seltene, aber sehr angenehme Kribbeln auf der Innenseite meiner Kopfhaut. Mein "Mitbewohner" behauptet, das Programm der Urania richte sich auschließlich an aktive, kulturbeflissene Rentner, und Vorträge wie "Lässt sich die Alzheimer-Demenz verhindern oder therapieren?", "Wie fit ist mein Gehirn? Braucht mein Gehirn Jogging?" oder "Die neuen Erbrechtsbestimmungen" scheinen diese These zu stützen, aber für wen sind halbseidene Vortragsthemen wie "Die Illusion der perfekten Kontrolle", "Wie ändere ich meinen Mann? Wie ändere ich meine Frau?" oder "Wie wir täglich getäuscht werden - Manipulationstechniken durchschauen" bestimmt? Es will mir einfach nicht gelingen, ein stimmiges Urania-Besucher-Profil zu erstellen. Ob ich einmal selbst hingehe? Als Mitglied des Berliner Mietervereins bekomme ich sogar einen Preisnachlass. Ach nein, ich lasse mich lieber weiterhin jeden Monat überraschen, was für schöne, interessante und rätselhafte Themen das Urania-Team noch in der Hinterhand hat.

*Für alle Nicht-Berliner: Die Urania ist ein Haus in der Nähe des Wittenbergplatzes, von dem kein Mensch so recht weiß, was sich darin abspielt. Es werden wohl Vorträge darin abgehalten und Sachen aufgeführt. Immerhin vier Busse halten an der Urania, der M19er, der M29er, der M46er und der 187er.

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