20. November 2007

être à cheval sur les principes

Sehr wenig geschätzt werden Prinzipienreiter, glaube ich. Ich habe nichts gegen Prinzipienreiter, schließlich bin ich selber einer bzw. eine. Eine Prinzipienreiterin. Mein halbes Leben besteht aus Prinzipien, die andere Hälfte besteht aus – wie man aus dem Terminus andere Hälfte bereits ablesen kann – anderen und halben Sachen. Prinzipienreiter sind bei den meisten Leuten eher nicht gerade wohlgelitten, was damit zusammenhängt, dass die meisten Leute – als junge Menschen – einst sehr strenge Prinzipien hatten, diese aber nach und nach aufgaben. Und weil es gesellschaftlich nicht ganz klar ist, ob es jetzt gut ist, Prinzipien zu haben, oder eher doof und unlocker und ewiggestrig, haben Leute, die im Laufe der Jahre ihre Prinzipien leichtfertig über Bord geworfen haben, das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, wenn sie z.B. solchen hardcore-Prinzipienreiterinnen begegnen wie mir. Ja, man wird ständig diskreditiert, wenn nicht gar in Misskredit gebracht, wenn man auf etwas beharrt, und zwar aus Prinzip. Wenn die Prinzipienvertreter sagen Es geht mir hier ums Prinzip, dann sagen die Prinzipienaufgeber Stimmt doch gar nicht, dir gehts doch gar nicht ums Prinzip, dir gehts doch nur ums Geld. 1:0 für die Prinzipiengegner, es geht tatsächlich selten ums Prinzip, meistens aber auch nicht ums Geld: Wenn ich zum Beispiel sage Ich ziehe aus Prinzip keine seitlich geschnürten Lederhosen an, dann geht’s mir natürlich nicht ums Prinzip, sondern um die Ästhetik. Oder: Ich betrete aus Prinzip keinen Mediamarkt und auch keinen Saturnladen, und dabei gehts mir natürlich weniger ums Prinzip und auch nicht ums Geld – schließlich soll dort alles sehr günstig sein – als um die Ästhetik. Für andere mag vieles eine Frage der Ehre sein, für mich ist alles eine Frage der Ästhetik und damit eine Frage des Prinzips. Ich fürchte, ich müsste nach einem Mediamarkt-Besuch – ähnlich wie im Film, wenn Frauen, denen seelisch etwas ganz, ganz schlimmes zugefügt wurde, von dem sie sich im übertragenen Sinne reinwaschen müssen – stundenlang duschen.* Apropos duschen. Duschgel? Kaufe ich aus Prinzip nicht. Wieso? Sollen sich andere sackdoofe Plastikflaschen auf den Badewannenrand stellen, mir kommt derartiges nicht ins Haus. Mandarinen? Esse ich ab dem 13. November und keinen Tag vorher. Ästhetisch betrachtet ist nun mal der 13.11. der beste Tag, um die Mandarinen- und meinetwegen auch die Clementinen-Saison einzuläuten. Es würde mich höchstwahrscheinlich sehr abturnen, müsste ich z.B. am 12.11. eine Mandarine essen. Deswegen beharre ich darauf. Fertig – Punkt – Aus. Und zwar aus Prinzip.

*ein ähnlich beliebtes Filmmotiv-Kaliber wie die Frauen in Badewannen und die oben erwähnten Frauen im Film, die sich von seelischen Verletzungen stundenlang unter der Dusche reinwaschen müssen, um schließlich zitternd in der Ecke der Duschkabine zu kauern, sind Frauen, in denen innen drin etwas brodelt, die aus dem Alltagstrott ausbrechen wollen. Diese Frauen zerbrechen im Film beim Abspülen ein Glas und schneiden sich daran.

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