16. Dezember 2006

Fluch/Trauma

Weil unverhofft ein Zeitfenster aufgesprungen ist, habe ich Weihnachtsplätzchen gebacken. Oder

wie man da sagt, wo ich sozialisiert wurde.

Auf mir lastet ein Weihnachtsplätzchen-Fluch, zudem leide ich an einem Weihnachstplätzchen-Trauma. Das Trauma ist durch übermäßige frühkindliche Lektüre von Weihnachtsplätzchen-Back-Fotostrecken in der Brigittezeitung entstanden. So hieß die bei uns daheim. Nicht etwa die Brigitte, nein, Brigittezeitung. Die Weihnachtsfotostrecken in der Brigittezeitung sahen damals IMMER so aus: elegante Altbauwohnung in Hamburg-Eppendorf, -Harvestehude oder -Altona (keine Ahnung, wo sich das Charlottenburg Hamburgs befindet), in der eine schicke Hanseaten-Mutter mit ihren geschmackvollen Hanseaten-Kindern und deren Freunden modernes Weihnachtsgebäck gebacken hat. Die Kinder hießen Moritz, Felix, Saskia, Anna, Josephine und hatten Schürzen von Marimekko um. Meine Schulfreunde hingegen hießen Ilona, Birgit, Petra und Patricia, Jörg, Stefan, Rüdiger und haben nicht in dezent adventlich dekorierten Hamburger Altbauwohnungen gewohnt. In diesen Fotostrecken hat auch immer alles geklappt, kein bröckliger Mürbeteig, kein klebriger Fußboden etc.pp. Und nach dem Backen war denen auch nicht schlecht, nein, nein, ganz am Ende gab es immer ein Foto, auf dem alle zusammen Tee trinken und schon mal ein bisschen von dem zarten, zierlichen Weihnachtsgebäck naschen. In ihren Hamburger Altbauwohnungen. Daher mein Trauma. Ich ziehe los, kaufe Zutaten für ca. zwölf verschiedene Plätzchensorten ein und schon beim Auspacken der Tüten habe ich keine Lust mehr, weil ich weiß, dass alles schief gehen wird. Ich weiß es. Wegen des Fluchs. Der Fluch zwingt mich, alle Rezepte als überkandidelte Scheißrezepte abzutun und auf eigene Faust zu verändern, also statt beispielsweise 237g Mehl 200g Mehl zu nehmen, statt 25 Plätzchen 50 auf ein Blech zu legen usw. Ergebnis: Plätzchenteppich. Es ist jedes Jahr dasselbe Elend.

Ich backe mein Weihnachtsgebäck übrigens nach den gleichen Rezepten wie die Ex-Schwiegermutter meiner Schwester, auch wenn die Bilder in diesem Backbuch zu 0,0 Prozent mit der Brigittezeitung-Ästhetik kompatibel sind (unbewusster Versuch meinerseits, das Trauma zu überwinden??):



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